Der Regen prasselte ausdauernd und vehement gegen die Fensterläden der kleinen, etwas windschiefen Hütte, die Geron sein Zuhause nannte. Das kleine Gebäude mit dem einzelnen Wohnraum, an den sich nur ein kleiner Verschlag als Stall für die Hühner anschloss, war, neben einem kleinen Heuschober, der einzige Besitz seiner Familie. Vater und Mutter schliefen gemeinsam im etwas zu engen Bett, dass mit Stroh gefüttert und mit Fellen und Wolldecken ausgelegt war. Geron selbst hatte seinen Schlafplatz an der Feuerstelle auf dem mit Stroh ausgelegten Boden. Der Elfjährige lag dort in seine etwas kratzige Wolldecke gehüllt und kuschelte sich im Schlaf an den struppeligen, großen, grauen Familienhund, der jede Nacht an seiner Seite weilte und meistens einfach nur
Streuner gerufen wurde.
Es waren die letzten Tage des Monats Efferd. Der Sommer wich langsam einem regnerischen, nebligen Herbstbeginn und die Nächte wurden merklich kühler, vor allem aber nasser. Die Arbeit der vergangenen Monate war entbehrungsreich gewesen. Sein Vater und andere Holzfäller der Umgebung hatten gemeinsam das Tagewerk der Holzfällerei im Sommer zumeist tief im Steineichenwald verbracht. Tagelang war Vater nicht nach Hause gekommen, wo Mutter das Heim und die wenigen Tiere gemeinsam mit Geron hüten musste.
Geron war noch nie wirklich aus dem vertrauten Dorf und dem Wald herausgekommen. Klar, ab und zu ging es nach Andrafall, der nächstgelegenen Kleinstadt, um notwendige Besorgungen zu machen, die berühmten Holzfällerspiele im Praios zu besuchen oder im Tempel des Firun, gemeinsam mit seinem Vater, für einen milden Winter zu beten. Doch die Stadt war etwas über drei Tagesmärsche entfernt und so blieb man doch meist im kleinen Holzfällerweiler unter sich, den hier alle nur das Dorf nannten, auch wenn es eigentlich
Muldenbruch hieß. Hier lebten kaum mehr als 40 Andergaster, drei Thorwaler und eine Zwergin zusammen. Man kannte sich untereinander, als wären alle eine große Familie – sowohl im Frieden wie im Streit - und auf die meisten Dorfbewohner traf auch zu, dass sie miteinander verwandt oder verschwägert waren.
Das knistern des wärmenden Feuers wurde beinahe vollkommen vom plätschernden Regen und jaulenden Wind vor der Hütte überdeckt. Die Nacht klang abweisend, als wolle sie die Einwohner
Muldenbruchs einsperren. Plötzlich erhob sich Streuner und senkte den Kopf aufmerksam in Richtung Hüttentür. Der elfjährige Geron wurde von dieser abrupten Bewegung wach und öffnete blinzelnd die Augen. Das flackernde Feuer erhellte den Raum nur leidlich. Der hochgewachsene, junge Mann strich instinktiv durch das drahtige Fell des Vierbeiners und versuchte diesen damit zu beruhigen, doch es wollte nicht gelingen. Ein tiefes Vibrieren in der Brust des Tieres ging langsam zu einem bedrohlichen Knurren über. Streuner ließ die Tür nicht mehr aus den Augen und jeder Muskel des Hundes schien angespannt. Die Schatten in den Ecken des Raumes wirkten in diesem Moment fast schon bedrohlich. Geron rieb sich die Augen. Dann hämmerte es plötzlich kraftvoll gegen die Tür und der Hund verfiel in ein aufgeregtes Bellen.
„Aufmachen! Hey! Hört mich einer!? Aufmachen sag ich!“, drang eine tiefe, aufgeregte Stimme durch die Tür nach drinnen. Gerons Vater drehte sich stöhnend im Bett. Noch war er nicht gänzlich erwacht.